Christelle Grangier
Goldfarben, zart und leicht gezuckert – die von den Bäckern pünktlich auf die Fasnacht hin gelieferten, knusprigen Chüechli lassen den Winter vergessen. Die Fasnachtszeit, die der Abstinenz während der Fastenzeit vorausgeht, lädt dazu ein, herzhaft in die Fasnachtschüechli zu beissen, bevor die Leckerei am Aschermittwoch wieder verschwindet. Einige Bäcker stellen die traditionellen Chüechli, die im kulinarischen Erbe der Schweiz verzeichnet sind, noch «händisch» her.
Die Schweiz ist süchtig nach Schmelzgebäck
Im Kanton Freiburg heissen die wie eine grosse Wunderblume aussehenden und mit Puderzucker bestäubten Fasnachtschüechli «Merveilles». Bei der Chilbi bleibt das Rezept für das Schmelzgebäck unverändert, nur dass das Gebäck keine Blumenform aufweist und abschliessend mit eine Prise Kristallzucker abgerundet wird. In der Deutschschweiz findet man die Fasnachtschüechli überall dort, wo die Fasnacht am Ende des Winters in vollem Gange ist. Die Fasnachtschüechli werden erstmals 1445 in Basel erwähnt. Die Herstellung war derart populär und beliebt bis zum Missbrauch, dass sie ein paar Jahrzehnte später sogar verboten wurde.[1] Glücklicherweise und zur Freude der Feinschmecker zeigten sich die späteren Jahrhunderte gnädiger gegenüber den schmelzigen Leckereien…
Die Fasnachtschüechli-Tradition ist zwar in der Schweiz gut verankert, es gibt aber nur noch wenige Bäcker, die die aufwendige Arbeit auf sich nehmen; heute sind es in erster Linie industriell hergestellte Produkte, die die Regale nach Silvester fluten. Wir haben einen Bäcker getroffen, der die Merveilles noch händisch herstellt: Sébastien Périsset von der Bäckerei Fournil de Séb in Lugnorre.
Ein guter Teig
Zwischen Mitte Januar und Fasnachtsdienstag (Mardi Gras) stellt er die Fasnachtschüechli jeweils in 50er-Serien her – schliesslich schmecken Merveilles frisch am besten. Am Vorabend oder zwei Tage zuvor wird der Teig hergestellt: Mehl, Zucker, Butter, Vollrahm und Kirsch werden während zwanzig Minuten geknetet und dann zu einer Kugel geformt. «Meine Grossmutter, bei der wir die Chüechli für die Chilbi herstellten, pflegte die Teigkugel jeweils zu schlagen, um sie zu entspannen, wie sie sagte», erinnert sich Sébastien Périsset, und ahmt zum Spass die Bewegung nach. Anschliessend werden kleine Kugeln geformt, die er bis zum folgenden Tag «gehen lässt». Beim Auswallen des Teigs verlässt er den traditionellen Weg: Die Walzmaschine in der Bäckerei übernimmt das herkömmliche Ausweiten des Teigs auf dem Knie. Das Ergebnis muss aber dasselbe sein: Der Teig muss so dünn sein, dass man durch ihn hindurchsieht. Die Tradition besagt, dass man durch den Teig hindurch die Zeitung lesen können muss…
Ab ins Bad!
Jetzt folgt die nächste, heikle Etappe: das Ausbacken. Sobald sie in das heisse Bad aus Rapsöl eingetaucht wird, brutzelt, wellt und bläht sich die dünne Teigscheibe. Nach ein paar wenigen Sekunden verleiht der Bäcker dem Teig die unverkennbare Blumenform und hält nun das Chüechli an der Oberfläche, bevor er es nochmals dreht, bis es eine einheitliche goldige Farbe angenommen hat. Abschliessend wird das Fasnachtschüechli sorgfältig aus dem Bad genommen. Der Bäcker lässt es abkalten, bevor er es mit einem feinen Puderzuckerschnee überstäubt. Lange kann den süssen Blumen niemand widerstehen – sie passen wunderbar zu einem Gläschen Weisswein beim Apéro, andere wiederum geniessen die Merveilles als Dessert.
Besucherinnen und Besucher anlocken
Sébastien Périsset erinnert sich nicht daran, dass bei ihm jemals Fasnachtschüechli «offiziell» bestellt worden wären. Aber sobald sie in der Auslage sind, springen die Kundinnen und Kunden darauf an, und die Merveilles gehen rasch über den Ladentisch. Die Produktion der Fasnachtschüechli beginnt im Januar, die Merveilles sind die ersten Saison-Spezialitäten des Jahres», erzählt Sébastien Périsset, der die Chüechli seiner Kundschaft seit der Übernahme der Bäckerei in Lugnorre 2016 jedes Jahr anbietet.
Im Vully und im Broyegebiet
«Es war nicht mein Ziel, Chef zu werden», und doch steht er jetzt an der Spitze eines Teams von 7 Personen. «Es sind ausnahmslos Frauen, ein reiner Zufall. Bäckerinnen, Konditorinnen, Verkäuferinnen und eine Auszubildende». Die Produkte, die in der Backstube des Fournil de Séb in Lugnorre produziert werden, werden im anliegenden Laden und in Domdidier verkauft, dem Herkunftsort unseres Bäckers. Er betreibt zudem jeden Samstag in der schönen Jahreszeit zwei Stände an den Märkten Hauterive (NE) und Domdidier. Unter den angebotenen Spezialitäten sorgen auch die traditionellen Gâteaux du Vully – salzig oder süss – und eine ganze Reihe von Produkten, die von Terroir Fribourg zertifiziert sind – Kroketten, Anisbrote, Baguette Tradition, Züpfe und Butterflûtes – für Gaumenfreuden. Sowohl während der Fasnachtszeit als auch während des ganzen übrigen Jahres verwöhnt der Bäcker die Gaumen!
[1]Kulinarisches Erbe der Schweiz, https://www.patrimoineculinaire.ch/Produit/Fasnachtskuchli-Merveilles-Chiacchiere/413
Webseite: Le Fournil de Seb
Produzenten-Seite: Le Fournil de Seb